aus der Serie Chernobyl

 

Unsere Vorgehensweise: Wir haben 15 Frauen interviewt. Diese bekamen vorab eine Einordnung des Projekts, eine Art Impulsreferat (siehe Text weiter unten). Außerdem einen etwas konkreter mit dem Thema umgehenden Text, der sie darauf vorbereiten sollte, welche Informationen und Handlungen wir insbesondere von ihnen haben wollten. Hier ging es auch darum, die Stilübung eines immer unzumutbarer werdenden Zoom-"Meetings" zu generieren. Jede Frau hat sich selbst während einer eigenen Zoom-Sitzung "inneren", vorproduzierten Stimmen gestellt und dabei ihr(e) Gesicht(er) "abgerufen". Herausgekommen sind 15 Zoom-Aufnahmen von zuhörenden Frauen, die allesamt auf denselben Text reagieren. Daraus haben wir einen Film, eine Art für sich stehenden Trailer, gemacht. Er nimmt die inneren Stimmen als schriftliche Wortbeiträge auf, setzt sie in Verbindung mit den blickenden, aushaltenden, unterforderten Frauen.. So entstand eine Reaktionsstudie. Uns interessierten ja besonders "unsere" Gesichter, wenn wir gerade gar nicht sprechen oder denken, planen oder schreiben, im Dialog sind oder einen Wortbeitrag vor-denken, sondern da, wo wir ausschließlich als Reagierende, Zuhörende gefragt (oder abgestellt) sind. Im Theater geht es viel um Aktion und Reaktion, um Extrovertiertheit, Expressivität von Figuren, die sich jeweils in einer speziellen Situation befinden, in einer individuellen Geschichte reagieren, die sich in einem typischen oder absonderlichen Konflikt befinden. Hier nun wollten wir quasi "abgestellte" Figuren in einer  indifferenten, vergleichbaren Lebenssituationen beobachten können. Das, was nicht gesagt wird, in einem kleinen Kollektiv sich bei sozusagen "kommulierter" Betrachtung selbst verstärken lassen und neu beobachtbar machen.

 

Was ist Mansplaining?

(Männer erklären dir ungefragt Sachverhalte, mit denen du aus mehreren Gründen sehr gut vertraut bist. Sie hören damit auch nicht auf, wenn du Ihnen das gesagt/versichert hast und auch nicht dann, wenn du mit Sicherheit belegen kannst oder glaubhaft machen, dass sie mit ihrer Einschätzung des Sachverhalts falsch liegen.)

Männer suchen in einer Gesprächsrunde, Talkshow, in einer Arbeitsbesprechung, einem Pressegespräch o.ä. sofort den Schulterschluss mit einem Wesen ihres eigenen Geschlechts. Dies tun sie besonders dann, wenn du Einwände oder Kritik hattest an einer von ihnen zuvor gemachten Behauptung. So blicken sie bei einer Replik nicht dich an (oft die Frau), sondern antworten mit einem Bestätigung heischenden, herablassenden Lächeln dem „Bro“ im Raum. Dabei checken sie aus, inwiefern dieser sich eignet, um ihnen beizuspringen oder recht zu geben. Aber allein die Tatsache, dass sie sich nicht dazu bringen lassen, dir in die Augen zu sehen, sondern stattdessen ihrem“Bruder“ die Antwort geben, ist für sich schon ein Akt der Degradierung, ganz egal, was der andere Mann dazu eigentlich denkt - und hat er zuvor auch etwas gedacht, was die Frau bestätigen würde, so käme er nach der nonverbalen Ersuchung des anderen Mannes nicht mehr auf die Idee, das auch zu formulieren. Er vergisst das schlicht und feiert stattdessen, dass er nicht allein ist.

Man bzw. Frau könnte jetzt sagen, dass es doch aber gar nicht so wichtig sei, was Mann im Raum zu ihrem verbuchten Expertinnenwissen oder aber gut begründeten Einwänden sagt, vielleicht sind noch andere im Raum, die sich anhören, face to face, was sie zu sagen hat, andere Frauen zum Beispiel. Aber durch das Nicht-Adressieren von Seiten der Männer wird sie unsichtbar gemacht, massiv relativiert und es gibt keine Möglichkeit der vielleicht anwesenden anderen Frau, solange sie nicht feministisch gefestigt und mit dem dazu nötigen Humor und der nötigen Intellektualität ausgestattet ist, sich nichts daraus zu machen. Sie hat nichts dagegen, dass sie der Gruppe der solidarischen Frauen zugeordnet wird (belohnenswert) statt der (bevorzugten) Gruppe der Personen, die sachlich argumentieren. Männer können darauf vertrauen, dass Frauen sich lieber zurückziehen oder neutral verhalten, sogar lieber den Männern entgegen ihrer heimlichen Überzeugung zustimmen, als ihrer narzisstischen Suche nach Anerkennung durch Männer entgegenzuwirken. Darum ist Mansplaining, erst recht Broprobriating so aushöhlend, es macht die Frauen unsolidarisch und die Männer wiederum tun so gut wie alles, um sich nicht unterlegen oder auch nur sanft kritisiert zu fühlen. So steht die Frau mit der nicht affirmativen Zustimmung immer wieder allein da mit ihren Gedanken und deren Veröffentlichung. So werden diese, egal wie gut begründet oder konstruktiv sie auch sind, ungehört bleiben. Es ist zugleich sehr schwer das zu belegen, ohne die Ebene zu wechseln bzw. die Erlaubnis dazu zu bekommen, die dann von Männern als die emotionale diskriminiert wird, obwohl sie eigentlich nur eine Metaebene ist - die aber wiederum durch Erfahrung sich nährt und weniger durch wissenschaftlich belegbare Fakten. Dass sie, die Metaebene, anzusprechen in der Lage wäre, Strukturen sichtbar und den Diskurs zu verschieben und fruchtbar zu machen, spielt keine Rolle, denn es besteht selten diese Art von Offenheit, Ebenen zu wechseln, erst recht wenn sich wie in diesem Fall der Mann auf der vorgeschlagenen Ebene unsicher fühlt.

Es geht also nicht darum, die Opferrolle der Frauen zu verfestigen, sondern ihren miesen Gefühlen in Gesprächen mit Männern bzw. in Gesprächsrunden mit Männern vor allem im Arbeitsbereich auf die Spur zu kommen, unbewusste Muster zu erkennen, gemeinsam mit allen Beteiligten diese Muster zu überprüfen und offenzulegen. Damit sich was ändert.

Die Muster aber als interessante Machterhaltungsformate auszustellen, das ist auch ein (erster) Schritt und bedient sich an den Regeln der Satire, dem Managmenttrainining (zugegebenermassen nah an der Satire), der reinen Beobachtung im „Laborversuch“ und der Nachbereitung eigener Erlebnisse zweifelhafter Natur im geschützten gleichgeschlechtlichen Rahmen.

Man kann sich dem Phänomen (bzw. patriarchalen Machtkommunikationen) für die darstellenden Künste am besten auf dem Weg der Phänomenologie bzw. der Verhaltenstherapie nähern.

wir nehmen einmal die Markus Lanz-Sendung vom 16.Juni 2020), zu Gast untere anderen Friedrich Merz und Luisa Neubauer.

was wäre gewesen, wenn sich Frau Neubauer, gleich wie hart sie auch in der Sache war, sich nicht so vorbildlich zuwendend (die Beine in Richtung des Gegenübers Merz übereinander geschlagen), vor allem zuhörend (dabei half die Kameraeinstellung ihres in Richtung von Merz gewandten Kopfes im Halb-Profil in der Nahaufnahme) verhalten hätte, sondern in erster ins den Moderator adressiert hätte. Erst recht, wenn sie auf eine Einlassung von Friedrich Merz reagiert hat. Über Bande sprechen gehört zu den den kurven Dialogpartner schwächenden Strategien.

Alternativ könnte sie, hätte sie einen Doktor in Ökonomie UND Ökologie in diesem Fall, diese Information auf ihr T-Shirt drucken lassen, so dass diese Information unablässig sichtbar gewesen wäre für die Zuschauenden. Wann immer die Kameraposition versucht hätte, diese Perspektive zu verhindern, hätte sie immer zwischendurch sagen können: Ich hab den Doktor in Ökologie und Ökonomie.

Die Regie hätte sich entscheiden können, unter Herrn Merz die von Neubauer gesprochene Zeile „Sie sind ja im Rahmen des politischen ein Nichts im Augenblick“ , hätte aber auch schreiben können unter Frau Neubauer: Luisa Neubauer hat ihr Studium in Göttingen abgebrochen, um bei fridays for Future Sitzstreiks zu machen

Herr Lanz hatte sagen können: Herr Merz, schauen Sie nicht mich an, antworten Sie doch bitte direkt auf Frau Neubauer

Herr Lanz hätte lange Zeit lang mal nichts sagen können und den Sätzen der Geladenen nachlaschen können

usw.

Fragen im Rahmen der verhaltenstheatralen Recherche zum Thema Bropropriating

Wenn du an Gespräche mit Männern im beruflichen Kontext denkst (Regiesitzungen, Konzeptionsgesprächen, Vereinssitzungen, Team-Besprechungen, Vorstellungsgesprächen, in der Kanine, am Esstisch Zuhause, in Workshops oder in Seminaren, im privaten Gespräch mit Freunden (m) und dir (f), in Gesprächen, wo du mit einer Freundin im Gespräch warst und der/dein Mann dazu kam, in Talkshows, in die du eingeladen wurdest oder die dir aus dem Medien in Erinnerung sind, im Auto mit deinem Partner, nach einer Premiere beim Wein etc.pp.) - hast du ein Erlebnis besonders in Erinnerung, in dem du das Gefühl hattest, im Bro-/Mansplaining-Gespräch gelandet zu sein?

Versuche ein Beispiel aus dem Privaten, eines aus der Arbeitswelt und eines im sozialen Raum zu suchen und zu finden.

Vielleicht ist dir auch nur aufgefallen, wie es einer anderen Frau in deiner Anwesenheit passierte, dass ihr die Welt, in der diese sich auskannte, erklärt wurde, trotz wiederholtem Versuch der Intervention (wahlweise des Gähnens und sich Abwendens).

Welche Gefühle hattest du, ohne sie zu zeigen

Langeweile = bitte mach ein gelangweiltes Gesicht und halte es in die Kamera, Foto oder Video-Ausschnitt, wie du willst, im Folgenden dasselbe)

Genervtheit?

Mitleid?

Aggression?

Unsicherheit?

Beim Versuch, nichtsdestotrotz zuzuhören

Versunken in ein anderes Thema, trotzdem aufmerksam schauend

wütend, ohne es zu zeigen

traurig, ohne es zu zeigen

begeistert, ohne es zu sein

verächtlich, indem du Verachtung zeigst/Verachtung unterdrückst

Zurückgesetzt, hilflos, verunsichert

deine eigene Kompetenz plötzlich in Frage stellend

hysterisch lachend

hysterisches Lachen unterdrückend

deine gesamte Welt in Frage stellend (ohne es zu zeigen/indem du es zeigst)

stumm schreiend

belächeln (wahlweise lächelnd ablenken/offen den anderen belächelnd)

Versuche herauszufinden, wie du versucht hast und wie du dabei aussahst, dir sicher zu bleiben, dass du eine Wissende bist

dich dümmer stellend als du bist (eine der größten Anstrengungen, die andererseits wohl extrem viele Frauen machen, um später noch Sex haben zu können (Kinsey-Umfrage aus dem Jahr 1983)

Lachend, obwohl nichts lustig ist

to bei continued (suche dir ein paar der Gefühle und spiele sie deinem Spiegelbild vor. Wenn du keine eigene Erinnerung findest, können wir dir auch Material zur Verfügung stellen, mit dem du dich emphatisch auseinandersetzen kannst)

Erzähle schlicht und ergreifend deine Geschichte(n) in die Kamera, als würdest du sie extrem intelligenten, aktiv zuhörenden und mitfühlenden Frauen erzählen)

Wenn es dir zu persönlich ist, kannst du dich

a. wahlweise rückwärts vor die Zoom-Kamera setzen

Dir eine Sonnenbrille und eine Perücke aufsetzen

Deine Stimme massiv verstellen oder beantragen, dass sie im Nachgang von uns gepitscht wird

deinen Kopf abschneiden und beim Erzählen nur den Rumpf oder deine Beine in den Kamerablick nehmen

von dem Erlebnis als eines dir von jemandem Dritten erlebtes erzählen

etc.

Wenn du der Meinung ist, dass du noch niemals in Kontakt mit Mansplaining oder Broprobriating gekommen bist und keine Ahnung hast, was damit eigentlich gemeint ist, dann erzähl und genau dies doch gerne noch mal in die Kamera hinein. Schön wäre es wenn du versuchst zu betrachten, wie du im Umgang mit Männern oder mansplainenden Frauen so bist oder glaubst ähnliche „Angriffe“ abzuwehren, was du für Strategien anwendest, um Schaden von dir abzuhalten

erzähl uns gerne in die Kamera, warum du darauf stehst, wenn dir Männer die Welt erklären (gerne auch mit den oben genannten theatralen Mitteln der Verschleierung etc.I

 

Nicola Bongard

gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien